
In dem Drama Maria Stuart zeigt Schiller viele Facetten der Politik. In diesem Blogartikel werden wir uns vor allem mit dem Aspekt der öffentlichen Meinung beschäftigen, da diese auf die Handlung Des Dramas einen nicht unbedeutenden Einfluss hatte. In einem zweiten Teil wird das Drama dann ins 21te Jahrhundert versetzt. Wie wäre da wohl die Beziehung zwischen dem Volk und Elisabeth gewesen?
[Bearbeitet am 17.06.2025]

Elisabeth, der Königin von England, ist die Liebe ihres Volkes gegenüber ihr sehr wichtig, da ihre Herrschaftslegitimation darauf gründet. Sie kann im Gegensatz zu Maria nicht dynastisch begründen. Die Ehe der Eltern von Elisabeth, Heinrich VIII und Anne Boleyn, wurde vom Papst nicht anerkannt. Das bedeutet das Elisabeth aus dynastischer Sicht nicht die rechtmässige Nachfolgerin ist. Trotzdem konnte sie, per Parlamentsbeschluss, den Thron besteigen.
Der Konflikt von Elisabeth in dem Drama besteht vor allem darin, ob Sie Maria[1] hinrichten lassen soll oder nicht, was dadurch verstärkt wird, dass Maria Elisabeth in einem Streitgespräch beleidigt und die engsten Berater der Elisabeth unterschiedliche Meinungen zu der Hinrichtung haben. Der eine sagt, dass Volk wolle den Kopf der Maria rollen sehen. Der andere ist der Meinung, dass das Volk dies im Moment zwar wolle, im Nachhinein aber Angst vor Elisabeth haben werde. Elisabeth will die Liebe ihres Volkes behalten, doch zugleich auch ihre Würde, welche durch Maria im Streitgespräch (dritter Aufzug) verletzt wurde. Dieser Entscheidungsprozess Elisabeths wird massgeblich durch das Volk beeinflusst, denn durch Aufstände und Demonstrationen drängte es Elisabeth zu einer Entscheidung. Dieses Beeinflussen ist jedoch nicht einseitig. Im letzten Auftritt des Dramas zeigt sich, wie Elisabeth strategisch agiert, um die Schuld für den Tod der Maria von sich zu weisen. Bereits zuvor gab sie beispielsweise das unterschriebene Todesurteil von Maria ihrem Untergebenen, Davidson, wobei sie keine klaren Anweisungen erteilte. Damit zwang sie Davidson sowie ihren Berater indirekt die Entscheidung zum Tode Marias zu treffen, womit sie unschuldig wirkte. Dies musste sie daraufhin noch dem Volk entsprechend kommunizieren.
Das bringt die Frage auf, wie man in der frühen Neuzeit kommunizierte, und wie hätte Elisabeth agiert, wenn Sie die Möglichkeiten des 21ten Jahrhunderts gehabt hätte?
Diese Frage klärt Schiller in seinem Drama nicht, weshalb im Nächsten Teil Thesen dazu aufgestellt werden.
Das Drama Maria Stuart spielt im Jahr 1587 und findet damit in der frühen Neuzeit [2]statt. Diese begann etwa im Jahr 1450 mit der Erfindung des Buchdrucks und endete 1789 mit der französischen Revolution. Gerade der Buchdruck war eine sehr prägende Erfindung für weitere Errungenschaften im Verlauf der frühen Neuzeit, weshalb dieser unbedingt in Betracht gezogen werden muss, wenn es um die Art und Weise der Informationsverbreitung geht. Vielleicht hielt Elisabeth auch eine Rede und das Gesagte sich verbreitete sich nachher durch Weitererzählen. Doch eine solche Informationsverbreitung ist eher ineffizient, da sich die Information, je weiter sie verbreitet wird auch verändern kann. Diese Veränderung kann man auch bei dem Flüstertelefon-Spiel beobachten. Man beginnt mit Orange und es kommt Kran am Ende an.
Eine weitere Möglichkeit wären die sogenannte Einblattdrucke, die durch den Buchdruck aufkamen. Diese Einblattdrucke erfüllten die Funktion einer heutigen Zeitung. Zudem wurde das mündliche Weitererzählen durch einen Ausbau des Postsystems unterstützt, was für schnellere Informationsweiterleitung in weiter entfernte Orte wichtig war.
Doch all diese Arten der Kommunikation sind nicht mit denen, die wir nutzen, zu vergleichen. Die Möglichkeiten Nachrichten zu verbreiten sind heutzutage wahnsinnig effizient. Man kann in kürzester Zeit Millionen von Menschen erreichen. Das geht über online Nachrichtenportale, Posts in den sozialen Medien oder natürlich auch Radio und Fernsehen. Wie hätte Elisabeth diese Mittel wohl genutzt?
Vielleicht hätte Elisabeth in diversen Beiträgen über Maria Gerüchte verbreitet, um so die Stimmung im Volk gegen die schottische Königin aufzuheizen. Möglicherweise hätte Sie auf X getweetet:
«Geliebtes Volk! Bitte steht mir zur Seite in Zeiten wie diesen. Die eigene Schwester plante einen Anschlag gegen mich. Den Terror der Bloody Mary [3] will sie zurückbringen, doch wir bleiben gemeinsam stark! #MariaStuart #LiebeFuerEngland»
Diese heutigen Möglichkeiten der Kommunikation sind jedoch kritisch zu betrachten, da sie sich schnell verbreiten und nur wenig auf Wahrheitsgehalt geprüft werden. Ob in der frühen Neuzeit grosses ‘Fact-Checking’ betrieben wurde, bleibt wohl anzuzweifeln. Die Geschwindigkeit, in der sich die Nachrichten nun verbreiten sorgt dafür, dass im grossen Rahmen allfällige Unwahrheiten der einseitigen Berichterstattung verbreitet werden können. Doch genau dies hätte Elisabeth nutzen können, um das Volk auf ihre Seite zu bringen. Da Maria in Gefangenschaft war, hätte Sie zudem wohl auch keinen Zugang zu sozialen Medien gehabt und somit keine ‘Gegentweets’ veröffentlichen können.Dieser Umstand führt zu der Annahme, dass der Konflikt Elisabeths abgeschwächt zum Vorschein gekommen wäre, da sie stärkeren Einfluss auf das Volk hätte nehmen können.
Obschon wir nie wissen werden, wie Schiller das Drama auf unsere Zeit angepasst hätte, ist es meines Erachtens ein Gedankenexperiment wert.
[1] Maria Stuart floh aus Schottland nach England und hoffte dort auf Unterstützung der Königin Elisabeth. Diese lässt Maria jedoch festnehmen, da sie in mehrere Verschwörungen, auch gegen Elisabeth, verwickelt gewesen sein sollte. Zudem war Maria Stuart eine Art Sinnbild für den Katholizismus.
[2] Die frühe Neuzeit war von Fortschritten und grossen Veränderungen geprägt, so wie die Entdeckung von Amerika durch Kolumbus, die Entstehung neuer Ideen wie die des Humanismus, die Reformation durch Martin Luther und noch viele mehr.
[3] Bloody Mary, die Vorgängerin von Elisabeth, war streng katholisch und lehnte die anglikanische Kirche ab. Sie liess zahlreiche Menschen verfolgen und auf dem Scheiterhaufen brennen.